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«Bei diesem Projekt ergab jeder Schritt einen Sinn»

Wie lief der Mitwirkungsprozess ab?

Seit sechs Jahren wertet der Sunnige Hof den Mattenhof mit zusätzlicher Grünfläche auf und erhöht damit die Lebensqualität der Genossenschafter*innen. Dieses langfristige Projekt setzt die Siedlungsgenossenschaft mittels eines Mitwirkungsprozesses um. Der Siedlungsdelegierte Michael Van den Bos und Katrin Gondeck, Leiterin der Abteilung DerBau, berichten im Doppel- Interview über ihre Erfahrungen und wagen einen Blick in die Zukunft.

Katrin Gondeck, der Sunnige Hof hat in den letzten Monaten in der Siedlung Mattenhof diverse Klimamassnahmen umgesetzt. Was war der Anlass für dieses genossenschaftliche Projekt?
Katrin Gondeck: Die sommerliche Hitze hat den Bewohner*innen seit ihrem Einzug in die neue Siedlung Mattenhof im Herbst 2017 zunehmend zu schaffen gemacht. Vor allem die grosse, dunkle Asphaltierungsfläche im Mattenhof ist in den Sommermonaten anfälliger für einen erhöhten Hitzestau und schränkt die Aufenthaltsqualität – gerade im Sommer – ein. Wie wir ja alle spüren, häufen sich die Hitzesommer in immer kürzeren Abständen, und somit haben sich auch die Klagen der Genossenschafter*innen über die Hitze im Mattenhof gehäuft. Diesen Umstand haben wir zum Anlass genommen, um uns die Frage zu stellen: Mit welchen Massnahmen können wir der Wärmeentwicklung im Mattenhof entgegenwirken und die Aufenthaltsqualität des Innenhofs verbessern? Wir tauschten uns mit den Landschaftsarchitekten aus und führten Temperaturmessungen in der Siedlung durch. Dabei wurde festgestellt, dass es im Sommer sogenannte Hitzeinseln gibt – also Stellen, an welchen die Temperaturen besonders hoch sind. Auf Grundlage dieser Messungen haben wir gemeinsam mit den Landschaftsarchitektinnen erste Vorschläge erarbeitet und holten gleichzeitig die Mitwirkenden des Mattenhofs ins Boot. Es war uns wichtig, dass wir sie an diesem Projekt teilhaben lassen. Schliesslich sind sie die Direktbetroffenen.

Wie haben Sie von der Mitwirkung reagiert, Herr Van den Bos, als die Geschäftsstelle Sie mit diesem Thema zum ersten Mal kontaktiert hat?
Michael Van den Bos: Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber ich denke, wir alle haben es geschätzt, dass die Abteilung «DerBau» und die Geschäftsstelle in dieser Angelegenheit gleich mit konkreten Vorschlägen auf uns zugekommen sind – zumal diese Thematik unsere Lebensqualität direkt tangiert. Darum wollten wir dieses Nachhaltigkeitsthema in einem grösseren Kontext und mit einem breiteren Publikum besprechen. So ist aus den ersten Gesprächen im kleinen Kreis ein seriöser Mitwirkungsprozess entstanden, welcher mitunter eine siedlungsinterne Umfrage zu den Klimamassnahmen im Mattenhof beinhaltete.

Katrin Gondeck: Die Inputs und die Zusammenarbeit mit der Mitwirkung waren für uns sehr bereichernd. Dass wir uns mit den Siedlungsdelegierten zusammengesetzt und uns überlegt haben, wie wir diese siedlungsinterne Umfrage aufgleisen, hat sich wirklich gelohnt.

«Wir alle haben es geschätzt, dass die Abteilung «DerBau» und die Geschäftsstelle in dieser Angelegenheit gleich mit konkreten Vorschlägen auf uns zugekommen sind – zumal diese Thematik unsere Lebensqualität direkt tangiert.»
Michael Van den Bos

Nehmen Sie uns bei dieser Reise bitte ein wenig mit: Weshalb war die Umfrage bei der Entwicklung und Umsetzung der Klimamassnahmen zentral?
Katrin Gondeck: Zu Beginn lagen uns von den Landschaftsarchitektinnen rund 15 Ideen für die Klimamassnahmen vor, die wir im «Schaufenster» vom Treffpunkt präsentiert haben. Gleichzeitig haben wir die Bewohner*innen aufgerufen, mitzumachen und eigene Ideen einzubringen. Es folgten fünf weitere spannende Vorschläge, die wir in die Umfrage integriert haben. Wir wollten sicherstellen, dass die Ideen in der Siedlung Mattenhof genossenschaftlich breit abgestützt sind, und vor allem wollten wir wissen, welche Massnahmen am besten ankommen. Darum ist die Umfrage entstanden. Jeder Haushalt im Mattenhof bekam einen Flyer mit QR-Code und konnte damit die vorgeschlagenen Klimamassnahmen in einem Ranking mittels Schulnoten bewerten. Zusätzlich wurde mit Plakaten in den Treppenhäusern und Aushängen im «DerTreffpunkt » auf die Umfrage aufmerksam gemacht.

Wir wollten sicherstellen, dass die Ideen in der Siedlung Mattenhof genossenschaftlich breit abgestützt sind, und vor allem wollten wir wissen, welche Massnahmen am besten ankommen.
Katrin Gondeck

Michael Van den Bos: Die Teilnehmerzahl der Umfrage war hoch. Das zeigt klar: Wir haben in dieser Sache den richtigen Weg eingeschlagen.

Und wie sahen die Vorschläge aus?
Katrin Gondeck: Das Interessante war, dass die Ideen und Bedürfnisse der Bewohner*innen mit unseren internen Abstimmungen mit dem Verwaltungsrat und der Geschäftsstelle beinahe deckungsgleich waren. Von der Begrünung der Tiefgarage und der Velodächer, den neuen zusätzlichen Pflanzungen bis hin zur Fassadenbegrünung wie auch das Beschattungsnetz hatten fast alle die gleichen Präferenzen. Auch die Betonbeläge aufzubrechen, traf sowohl auf der Geschäftsstelle wie auch genossenschaftlich auf breite Zustimmung.

Wo haben Sie sich die Inspiration für die Klimamassnahmen geholt?
Michael Van den Bos: Es gab Mieter, die Klimamassnahmen selbst entworfen haben. Diese sind am Computer entstanden. Der verantwortliche Genossenschafter hat das so gewissenhaft getan, dass er gleich noch die Baupläne hätte mitschicken können. Zudem hat jeder Einzelne seinen eigenen Erfahrungsschatz eingebracht und zu den Klimamassnahmen recherchiert. Die Mitwirkung und auch die Siedlung als Ganzes haben sich mit der Thematik vertieft auseinandergesetzt.

«Es gab Mieter, die Klimamassnahmen selbst entworfen haben. Diese sind am Computer entstanden.»
Michael Van den Bos

Auf welche Massnahme sind Sie besonders stolz?
Katrin Gondeck: Über das begrünte Garagendach freue ich mich jedes Mal beim Vorbeilaufen. Es ist ein cooler Blickfang und verändert sich mit den Jahreszeiten, mal sind es rote Tulpen, mal violetter Zierlauch. Die Fassadenbegrünung ist ebenfalls eine Bereicherung. Es war eine positive Überraschung, dass der Hopfen – trotz dem heissen Sommer – in so kurzer Zeit so rasch in die Höhe geschossen ist.

Michael Van den Bos: Und ich bin sehr gespannt, wie sich die Klimamassnahmen vor den Eingangsbereichen gestalten. Dort wird ja erst noch der Asphalt aufgerissen und begrünt. Diese Massnahme wird nun umgesetzt.

Die Umsetzung der Klimamassnahmen war ein genossenschaftliches Gemeinschaftsprojekt. In welcher Rolle haben Sie sich als Mitwirkende gesehen?
Michael Van den Bos: Wir haben uns Mühe gegeben, die Bewohnerschaft für dieses Projekt so weit wie möglich zu begeistern und zu mobilisieren, und waren dafür zuständig, deren Ideen, Wünsche und Bedürfnisse der Geschäftsstelle zu vermitteln. Rückblickend kann ich sagen, dass uns dieser Auftrag gut gelungen ist. Wir hatten mit der Geschäftsstelle stets eine konstruktive und lösungsorientierte Gesprächspartnerin. Grundsätzlich ist die Umsetzung der Klimamassnahmen ein Paradebeispiel dafür, wie die Mitwirkung innerhalb der Siedlungsgenossenschaft funktionieren kann.

Also eine Art Blaupause?
Michael Van den Bos: Zumindest ergab bei diesem Projekt jeder Schritt einen Sinn. Wir sehen die Fortschritte Tag für Tag, wie die Pflanzen unsere Siedlung grüner machen.

 «Bei diesem Projekt ergab jeder Schritt einen Sinn. Wir sehen die Fortschritte Tag für Tag, wie die Pflanzen unsere Siedlung grüner machen.»
Michael Van den Bos

Katrin Gondeck: Die Klimamassnahmen sind für alle sicht- und greifbar.

Michael Van den Bos: Jeder konnte mitreden und mitdenken. Wir sind uns bewusst, dass dieses Projekt nicht 1 zu 1 auf andere Mitwirkungsthemen übertragbar ist. Trotzdem können uns die Klimamassnahmen als Vorbild dienen. Noch heute bleiben die Leute beim «Treffpunkt»-Schaufenster stehen und schauen sich die Pläne zu den Klimamassnahmen an. Allein dieser Umstand zeigt, dass sich die Bewohner*innen für das Projekt interessieren. Vielleicht ist der eine oder andere sogar ein wenig stolz auf das Erreichte.

Katrin Gondeck: Und dennoch müssen wir die Genossenschafter* innen noch ein wenig um Geduld bitten: Die positiven Effekte der umgesetzten Klimamassnahmen sind noch nicht ganz spürbar. Es braucht Zeit, bis die Massnahmen ihre vollständige Wirkung innerhalb der Siedlung entfalten. Das gilt besonders für die gesetzten Pflanzen. Wir führen aber zu gegebener Zeit Messungen durch, damit wir wissen, wo wir stehen und an welchen Stellen wir noch optimieren müssen.

Michael Van den Bos: Das ist auch nicht weiter tragisch. Wir alle verstehen das. Vielmehr müssen wir weiterdenken: Das Thema ist jetzt in den Köpfen der Genossenschafter*innen angekommen. Es ist kein Zwang da, die Umwelt zu schützen. Die Mieter*innen überlegen sich, welchen Beitrag sie zur ökologischen Nachhaltigkeit beisteuern können. So gab es beispielsweise den Wildstaudenmarkt. Diesen haben die Bewohner*innen initiiert. Auf diesem Markt haben sich die «Mattenhöfler*innen» darüber ausgetauscht, welche Pflanzen sich am besten als Schattengewächse für den Balkon eignen. Das ist eine riesige Leistung und darauf können wir stolz sein – weil es Sinn macht: Wenn wir über den Klimaschutz nachdenken, können wir gleich noch das Thema Biodiversität integrieren. Die Biodiversität hat sich in der Mitwirkung aus der Diskussion über die Klimamassnahmen ergeben. Daran erinnere ich mich sehr gut. Die Frage kam sofort auf: Warum denken wir nicht gleich noch die Biodiversität mit? Es war nicht ein geradliniger oder eindimensionaler Prozess. Alle haben mitgeholfen und jeder Einzelne leistete einen Beitrag. An dieser Stelle möchte ich den Gärtnern dafür danken, dass sie in diesem Bereich vorangegangen sind und von sich aus Stein- und Asthaufen in der Siedlung installiert oder Pflanzenfelder angebaut haben.

Wie sieht Ihre Vision aus, Herr Van den Bos? Wie sollen die Klimamassnahmen am Ende aussehen und die Siedlung bereichern?
Michael Van den Bos: Wilder! Wenn es wilder ist, wird die Siedlung lebendiger. In unserer Siedlung gibt es sehr viele rechte Winkel und die Klimamassnahmen brechen diese Bauweise ein wenig auf. Zudem ist meine Hoffnung: Jeder überlegt sich, wie er die Biodiversität im Quartier erhöhen kann.